Mikrotourismus – Zeitgeist und Recht

Kolumne «Legal Matters» in «Travel Inside» vom 18. April 2019

Von Peter Krepper

Mikro Tour Operating ist kein festste­hender Begriff. Die Literatur verbindet damit die althergebrachte Idee vom «Rei­sen im eigenen Zimmer», das Zuhause-sich-einlässlich-mit-sich-und-der-Welt-Beschäftigen. Max Frischs Herr Geiser etwa (Der Mensch erscheint im Holozän) praktizierte es im Tessiner Dauerregen, die eigenen vier Wände genügten ihm.

Dieser Tage kehrt man lieber in fremde Gefilde ein als bei sich selbst, mehr als eine Milliarde reisender Grenzübertritte im Jahr 2017 weltweit zeigen es. Apropos Vor- und Neuzeit: Tripadvisor verlinkt das Schlagwort mit einem Urlaub in Mikro in Griechenland, Wiege der Demo­kratie…

Kommt die Plattform dem Thema damit näher, ist es doch so, dass reine Vermittlungs-«Maschinen» anders als Reisebüros dem Pauschalreiserecht nicht unter­liegen.

Von Mikro Tour Operating spricht die Branche, wo Reisebüros aus Flügen, Un­terkünften, Events usw. die von Kunden gewünschten Leistungen selbst erst kurz­fristig einkaufen (dynamic packaging) und diesen als massgeschneidertes Gesamt­paket verkaufen. Im Unterschied zu Bau­kasten-Reisen erfasst das PauRG auch solch dynamische Angebote noch nicht (explizit). Aus Sicht der Lehre steht dieser Chance zur Margen- und Gewinnoptimie­rung indes die umfassende Haftung des Reisebüros bei Pauschalreisen gegen­ über. Dazu ein aktuelles Beispiel: Ein Schweizer bucht für sich und seine thai­ländische Freundin beim TO Unterkunft und Auto in Marokko. Der Frau wird kein Visum erteilt, der Kunde verlangt den Rei­sepreis zurück.

Artikel 4 PauRG sieht für Einreise-Formali­täten Information im Voraus vor. Der TO hat in casu Glück, er haftet nicht, da er die Ein­reise weder organisiert noch verkauft hat. Ob die Gerichte das auch so beurteilen wür­den, ist aber offen und unsicher, wie vieles anderes im Pauschalreiserecht auch. Das PauRG von 1994 ist in verschiedener Hin­sicht nicht mehr up to date. Demokratisches Einwirken auf die Gesetzgebung zum Reisen wäre möglich. Der dynamisch bepackte Zeitgeist scheint dafür indes keine Zeit zu haben (die Kundschaft ist gerade last minute in Mikro). Sollte sich die Reisebranche nicht näher mit den Heim-Bedingungen ihres Wirtschaftens, den Unwägbarkeiten unseres «Mikroreiserechts», befassen?

Fairtrade bringt das auf den Punkt: Der Mikro-TO «kann zwar weltumspannend einkaufen, hat aber keinen Einfluss auf die Leistungserbringung». Aufs Reiserecht offenbar auch nicht.

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